Kritische Sicht des Berufsverbandes auf die elektrische Patientenakte (ePA)

Der Berufsverband der Dermatologen hat eine kritische Stellungnahme zur elektronischen Patientenakte (ePA) verfasst. Einige Aspekte daraus:

  1. Laufende Testphase: Laut BMG soll erst nach dem bundesweiten Rollout überprüft werden, ob Praxen über die geforderte Technik verfügen. Dies wird voraussichtlich erst nach dem ersten Quartal 2025 der Fall sein. Ab dem 15. Januar beginnt die Testphase in Franken, Hamburg und in Teilen Nordrhein-Westfalens. Die Erprobung dauert vier Wochen. Dann folgt die Auswertung. Verlaufen die Tests erfolgreich, sollen alle anderen Praxen folgen. Zahlreiche Informationen zur ePA hält die KBV bereit: www.kbv.de/html/epa.php
  2. Sicherheitslücken: Als BVDD sehen wir die ePA in ihrer momentanen Form äußerst kritisch. Zuletzt hat die Aufdeckung von Sicherheitslücken durch den Chaos Computer Club (CCC) Ende des vergangenen Jahres (hier finden Interessierte den gesamten Fachvortrag) für Aufsehen gesorgt. Die Stellungnahme der gematik zum Vortrag des CCC ist nicht dazu angetan, für Beruhigung zu sorgen. Die Kernaussage der gematik, „die vom CCC vorgestellten Angriffsszenarien auf die neue ePA wären technisch möglich gewesen, die praktische Durchführung in der Realität aber nicht sehr wahrscheinlich, da verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein müssen“ sowie der Hinweis, dass unberechtigte Zugriffe auf die ePA strafbar seien und nicht nur Geld-, sondern auch Freiheitsstrafen nach sich ziehen würden, ist an Naivität kaum zu überbieten.  Vor diesem Hintergrund hat aktuell auch Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt in der Neujahrspressekonferenz Patientinnen und Patienten geraten, die ePA momentan eher nicht zu nutzen. Und dass sich der Bundesgesundheitsminister Ende der vergangenen Woche mit Blick auf den CCC genötigt sah, zu betonen, dass die Daten der Bürger vor Hackern sicher seien, muss auch dem letzten Befürworter der ePA klarmachen, dass es Probleme geben kann
  3. Mehraufwand für Praxen: Hinzu kommt die Frage, wie die ePA Praxisabläufe verändern wird. Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass auf die Praxen einmal mehr ein – schlecht vergüteter – Mehraufwand zukommen wird. Dazu zählen das Einlesen und Speichern von Daten, das Informieren der Patientinnen und Patienten und das Dokumentieren von Widersprüchen. Als Beispiel sei die Pflicht von Ärztinnen und Ärzten erwähnt, bei hochsensiblen Daten insbesondere zu sexuell übertragbaren Infektionen, psychischen Erkrankungen und Schwangerschaftsabbrüchen Patientinnen und Patienten auf ihr Recht zum Widerspruch hinzuweisen – diese können im unmittelbaren Behandlungskontext widersprechen, dass diese Daten in die ePA eingestellt werden – und den möglichen Widerspruch nachprüfbar in der Behandlungsdokumentation zu protokollieren.
  4. Patientengeführte Akte: Eine der großen Schwächen der ePA aus ärztlicher Sicht ist zudem, dass die Akte vom Patienten „geführt“ wird. Versicherte können ePA-Dokumente vollständig verbergen (und wieder sichtbar machen), wobei für Praxen nicht erkennbar ist, ob bestimmte Daten in der ePA verborgen sind. Auch haben Versicherte das Recht, die in die ePA eingestellten Dokumente unwiderruflich zu löschen. Was dies künftig für Haftungsfragen bedeutet, werden sicherlich Sozialgerichte klären müssen. Damit bleibt für uns das Anamnese- Gespräch die wichtigste Grundlage für Diagnose und Therapie. Die KBV schreibt dazu: „Eine „anlasslose Ausforschungspflicht“, also dass der Arzt oder Psychotherapeut routinemäßig in die ePA schauen muss, gibt es nicht. Grundlage der ärztlichen Behandlung bleibt das anamnestische Gespräch. Hieraus können sich Umstände ergeben, die eine Einsichtnahme erforderlich machen.
  5. Dateiformat: Zusätzlich erschwert wird die Nutzung der ePA für die Ärzteschaft dadurch, dass aktuell nur PDF-Dokumente eingestellt werden können und damit keine Suchfunktion möglich ist. Es sollen zwar künftig „Metadaten“ für die Dokumentenarten erarbeitet werden, um die Daten filtern zu können, hierzu laufen aber seitens der KBV erst die Vorarbeiten!

Fazit: Die ePA ist eine gesetzliche Vorgabe. Leider klären die Krankenkassen ihre Versicherten zurzeit nur sehr oberflächlich über die ePA auf, verschweigen Risiken und stellen die vermeintlich positiven Aspekte der ePA wie schnelle Informationen in Notfällen oder die Vermeidung von Doppeluntersuchungen heraus. Somit ist nicht damit zu rechnen, dass der Anteil von ePA-Verweigerern unter den Versicherten erwähnenswert hoch sein wird.

Es wird sehr empfohlen Patientinnen und Patienten auf das sensible Thema Datenschutz und die Sicherheitslücken der ePA hinzuweisen. Dazu sollte das Gespräch genutzt werden, zu dem Vertragsärztinnen und -ärzte vom Gesetzgeber verpflichtet wurden, um Patientinnen und Patienten beim Besuch in der Praxis darüber zu informieren, welche Daten sie gegebenenfalls in der ePA speichern können. Viele wissen einfach nicht, welche Risiken die ePA birgt und welche Verantwortung letztlich auch bei ihnen selbst liegt, eine ePA sinnvoll zu führen. Hier haben wir eine Möglichkeit, Patientinnen und Patienten in unserem Sinne aufzuklären.

Weitere Informationen: Merkblatt der BV zur ePA LINK