(Köln) Unter dem Motto „Wundbehandlung 2020: Chronische Wunden heilen doch“ fand am 24. November 2016 der neunte „Interdisziplinäre Wund Congress“ in Köln statt. In einem gut besuchten Symposium diskutierte die Expertengruppe Kompressionstherapie des Starnberger Medical Data Institute (MDI) das Themenfeld Ulcus cruris und stellte aktuelle Fakten zur Versorgungsrealität, moderne Therapieansätze und neue Methoden der Versorgung vor.
Der IWC 2016 legte eine Schwerpunkt auf die vielfältigen Versorgungsmöglichkeiten von Menschen mit chronischen Wunden. Die Expertengruppe des MDI beleuchtete entsprechend das Ulcus cruris, auch landläufig als „offenes Bein“ bekannt.
Eingangs stellte PD Dr. Stephanie Reich-Schupke in einem Überblick verschiedene Formen von Venenleiden vor. Diese Erkrankungen sind gekennzeichnet durch ein Schweregefühl in den Beinen, Wadenkrämpfe und Schwellungen. Hinzu kommen Juckreiz und Ekzeme bis hin zum sogenannten offenen Bein. Nach Ansicht der Bochumer Dermatologin sollten Venenleiden stärker in den Fokus gerückt und als Erkrankung begriffen werden. Hierzu gehört, dass auch Krampfadern aufmerksam beobachtet werden und der Behandler mindestens eine symptomatische Therapie in Erwägung zieht, damit sich aus zunächst harmlos erscheinenden Besenreisern nicht unbeobachtet ein ausgeprägtes Venenleiden entwickelt. Bereits in jungen Jahren kann beispielsweise eine Thrombose erhebliche Auswirkungen auf den Betroffenen haben, wobei deren Risiko nicht verlässlich einzuschätzen ist.
Zur Diagnose des posthrombotischen Syndroms, das im Zuge einer tiefen Beinvenenthrombose entstehen kann, gebe es derzeit keinen „Goldstandard“, erläuterte Prof. Dr. Eberhard Rabe im Anschluss. Aufgrund der Zerstörung der Venenklappen kommt es hierbei zu einem Rückfluss in den Beinvenenen. Dieses Krankheitsbild äußert sich daher für den Patienten in schweren, schmerzenden Beinen, die sich geschwollen anfühlen. Hinzu kommen Hautveränderungen bis hin zur Ausbildung eines Ulcus cruris venosum. Wesentlich für dessen ursächliche Behandlung sei die Ausschaltung oberflächlicher Refluxe, so Rabe, zudem gelte es, gängige Risikofaktoren zu mindern. Hinzu komme eine wirksame Sekundärprophylaxe und die Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose sowie ausreichend Bewegung und eine sachgemäße Kompressionstherapie.
Die Kompressionstherapie ist in jeder Phase der Behandlung des Ulcus cruris venoum angebracht, ergänzte Prof. Dr. Joachim Dissemond. Der Essener Dermatologe berichtete von den grundlegenden Therapieprinzipien bei diesem weit verbreiteten Krankheitsbild. Hierbei definierte er die Kompressionstherapie als wesentliche Säule. Hinzu kommt die adäquate Wundbehandlung, ergänzt durch Säuberung und Reinigung – gemäß dem Motto „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Derzeit bieten über 50 Firmen über 1.000 Wundauflagen an, doch man benötigt nicht die komplette Bandbreite, um eine kompetente Wundversorgung zu gewährleisten, so Dissemond. Die Wundauflagen sind immer individuell an den Wundzustand und die Bedürfnisse des Betroffenen anzupassen.
Die Grundlage der Abheilung eines Ulcus cruris sei die Kompressionstherapie bestätigte Prof. Dr. Knut Kröger. Allerdings wird oft beobachtet, dass Patienten ihre Kompressionsstrümpfe nicht mehr tragen, wenn die Wunde abgeheilt ist. Hierdurch steigt das Risiko, dass sich eine erneute Wunde entwickelt, also ein sogenanntes Rezidiv entsteht. Es gilt daher, auf Seiten der Betroffenen ein Bewusstsein für die Rezidivprophylaxe zu schaffen, so der Krefelder Angiologe. Hinzu kommt die Notwendigkeit, den Patienten über seine Möglichkeiten, sich bei der Prophylaxe mit einzubringen, aufzuklären. Grundsätzlich sollte die Wiederentstehung eines jeden Ulkus vermeidbar sein, so Kröger. Hierfür sei es – neben der ausreichenden Aufklärung und Miteinbindung der Betroffenen notwendig, den Versorgern entsprechendes Know-how und Behandlungsstrategien an die Hand zu geben, den Patienten beim Selbstmanagement anzuleiten und zu unterstützen.
Auch auf den Erfolg der Kompressionstherapie kann der Informationsstand der Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben, so Kerstin Protz, Projektmanagerin Wundforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Hamburger Fachautorin stellte den aktuellen Versorgungsstand und den Informationsgrad von Menschen dar, die in Deutschland mit einer Kompressionstherapie behandelt werden. Hierbei zeigen sich einerseits erhebliche Defizite bei der Behandlung dieser Patienten aber auch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Kenntnisse der Patienten über ihre eigene Versorgung, ihre Hautpflege und Venensport. Beispielsweise bestehen Unsicherheiten, wie das Bindenmaterial oder die Kompressionsstrümpfe zu waschen sind und welche Art des Trocknens das Material am besten schont. Durch sachgerechten Umgang, so Protz, können Betroffene dazu beitragen, dass die Materialien ihre Wirkung möglichst lange erhalten und somit die Therapie effizient durchgeführt werden kann. Insgesamt besteht bei der Kompressionsversorgung von Menschen mit Ulcus cruris venosum derzeit noch viel Verbesserungsbedarf, so Protz.
Der mit über 1.000 Besuchern ausgebuchte Interdisziplinäre Wund Congress 2016 trug viel dazu bei, die aktuellen Fakten in der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden zu beleuchten. Der Programmpunkt der Expertengruppe des MDI hatte hieran großen Anteil. Mit dem Symposium „Kompression 2.0 – Mehr als nur Wundbehandlung“ verdeutlichte die interdisziplinär und interprofessionell aufgestellte Expertengruppe des MDI den Stellenwert, der einer Kompressionstherapie in der Behandlung von Menschen mit Venenleiden heutzutage zukommt.
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